Traum Haus Gogol

Nichts erscheint im Traum so wahr wie das Gefühl, das Geträumte wäre das Reale.
Nichts steht gegen die These, der Traum im Schlaf sei nicht nur eine Gegenrealität.

„Die Kosmogonie des Traumes ist der Ursprung der Existenz selbst.“ (Michel Foucault Einführung in:
Gaston Bachelard „Poetik des Raumes“ 2001: 137)
Quelle:https://zeitschrift-suburban.de/sys/index.php/suburban/article/view/197/327


quelle: Haus Gogol : Eine Traumgeschichte von Dr. Martina Schäfer. ISBN 13: 9783756557608
copyright: alle Audiotexte in diesem Beitrag: Dr. Schäfer, Martina
alle Fotografien in diesem BEITRAG einschließlich Beitragsbild copyright Regina Kühne / Fotografin/Pressebüro / Büchelstrasse 12 9000 St. Gallen

„Unsere Traumreisen, unsere höchsten Gedankenflüge, noch die abstraktesten Begriffe tragen häufig den Stempel von Körper und Leib, erst recht dichterische Metaphorik und Redewendungen. In der chinesischen Selbst- und Weltdeutung ist der Boden unmittelbarer Leib- und Lebenserfahrung, der Sitz im Leben der Begriffe, dem Alltagsverstehen leichter zugänglich als im konstruktiven Denken der offiziellen europäischen Philosophie und Wissenschaft.“ (…)

quelle:
Neue Phänomenologie Herausgegeben von der Gesellschaft für Neue Phänomenologie Band 16
Gudula Linck „LEIB ODER KÖRPER – Mensch, Welt und Leben in der chinesischen Philosophie“

https://beckassets.blob.core.windows.net/product/readingsample/8410348/9783495484517_excerpt_001.pdf

„Die dunkle Ortlosigkeit des Schlafs schafft Dekontextualisierung Schlaf schafft Dekontextualisierung: Er löst aus allen sozialen und lebens- praktischen Bezügen, löscht Selbst- und Weltorientierung und stellt eine Verfassung der Immobilität her. Wer einen Traum mitteilt, tut dies ebenfalls im Modus der Dekontextualiserung. Einen Traum berichten, heißt, ein Ereignis aus einem dunklen Zustand der Stille, als spurenhafte und änigmatische Erinnerung, an ein halluzinatorisches Geschehen im Schlafzustand nachträglich zur narrativen Darstellung bringen.“

quelle: TRÄUMENDE STILLE: Ein Wunschprogramm Boothe, Brigitte S.89
In: Brigitte Boothe (Hg.): Der Traum – 100 Jahre nach Freuds Traumdeutung. Zürich: vdf, 41-57
https://www.vr-elibrary.de/doi/pdf/10.7788/figurationen.2012.13.1.82 2012

Bild und Copyright : Regina Kühne


„Der Mitteilende inszeniert sprachlich den Charakter des Widerfahrnisses, des Nicht-Kontrollierbaren, der Intransparenz, des Ergriffenseins und vermittelt das im Dialog. Man rekapituliert nachträglich die nächtlichen Sinneseindrücke. Man setzt sich – falls man den Fundstücken aus dem Dunkel Interesse entgegenbringt – zu den Traumerinnerungen ins Verhältnis. Man tut das sprachlich: Die Naturgesetzlichkeit des nächtlichen Traumgeschehens ist die Basis für Erinnerungsspuren, die der Träumer im Wachzustand mit den Mitteln der Alltagssprache dokumentiert.“

quelle: TRÄUMENDE STILLE: Ein Wunschprogramm Boothe, Brigitte

Wahrlich einer famosen Traumerzählung kann hier gelauscht werden/
unterlegt mit exzellenten Fotografien

An Kafka mich erinnernd und auch ironisch bissig zugespitzt,
dabei fast leicht leuchtend auf den Sphärenwellenspitzen
des vom Verzweifeln nie Angekränkelten…

So ziehen diese mäandrierenden Traumgespinste wie luzide Erlebtes, Alltagsreales,
nur scheinbar in einen mittelalterlichen Gasthof verlegt, an mir vorüber,

mich in Bann ziehend,
wie an einem sich dem Ertrinken Hingebenden,
schon weit ab vom noch Luftholenwollen,
im Untergehen deutlich wahrnehmend und doch unmöglich, sich der Vernunft
der Reflexion noch in diesem Mitgerissensein, Mitgetriebe-Sein entziehen zu können…

ziehen an mir vorbei und ziehen in mich ein, nehmen dort Platz wie an guter Tafel, ob aus Stein oder Holz…
und während die geistigen Finger noch nach Halt kratzen, suchen,
bin ich bereits umfangen und untergegangen in dem uns allumfassend umgebenden,
mal traumfarben rot
rosa
tödlich oder hell
gelb
ockergelb
staubdunstigtrockenen
Agonischen.

Bild und Copyright : Regina Kühne

„Für Walter Benjamin, der selbst ein leidenschaftlicher Träumer mit Nachgeschichte war, ist der Traum ein zentrales Element des Denkens. So findet man zu Beginn der Einbahnstraße in der Frühstücksstube eine kleine Theorie der Traumerzählung, die darauf basiert, durch Nüchternheit den Traumzustand über das Erwachen hinaus in „konzentrierter Morgenarbeit, wenn nicht im Gebet“ zu verlängern, was eine angemessene Verschriftlichung der Traumerinnerung möglich macht: Der „Bruch zwischen Nacht- und Tagwelt“ wird vermieden, zugleich aber die „Vermengung der Lebensrhythmen“ verhindert, die dazu führen würde, dass der Träumer in der Erzählung sich selbst verrät. Erst die Nahrungsaufnahme trennt als reinigender Vorgang den Träumer von der Welt des Schlafes und des Traums und lässt ihn vollständig erwacht im Tag ankommen.“


„An Traumvorkommen in der Literatur lassen sich demnach Lebensrhythmen ablesen. Die beschriebene Methode wendet Benjamin für die Herausforderung der Proust-Übersetzung an, die ihn zeitweise psychisch stark belastet: Ich bin hier übrigens fleißig, zum mindesten beim Übersetzen und was das Erstaunlichste ist, es wird mir ganz leicht. Dazu habe ich freilich ein Regime entdeckt, das zauberhaft die Kobolde zum Helfen lockt und darin besteht, dass, wenn ich morgens aufstehe ich ohne mich anzukleiden, ohne Hände oder Körper auch nur mit einem Tropfen Wasser zu benetzen, ja ohne auch nur zu trinken, mich an die Arbeit setzte und nichts tue, ehe das Pensum des ganzen Tages beendet ist – geschweige denn frühstücken. Das bringt die seltsamsten Wirkungen zustande, die man denken kann.“

quelle: Also träumte Zarathustra: Walter Benjamin, Friedrich Nietzsche und der Traum
Natalie Chamat (Berlin) 69, Uni Heidelberg

Bild und Copyright : Regina Kühne

„Die besondere Bedeutung des Hauses liegt für Bachelard in der Tatsache begründet, dass das menschliche Dasein fundamental auf die frühkindliche Erfahrung einer behütenden Räumlichkeit angewiesen ist, um die Vorstellung einer „beschützte[n] Innerlichkeit“ (1987: 30) zu entwickeln. Das Haus stellt für ihn einen „Raum des Trostes und der Intimität“ (1987: 68) dar und wirkt als „eine der großen Integrationsmächte“ (1987: 33) für die Gedanken, Erinnerungen und Träume des Menschen. Anders – aber nicht minder metaphorisch – ausgedrückt: Das Haus gibt der „weiche[n] Materie der Innerlichkeit“ eine „Form“ (1987: 69), ohne die der Mensch „ein verstreutes Wesen“ (1987: 33) wäre. An dieser Stelle kommt die Rolle der Imagination ins Spiel.“
/ Bachelard, Gaston (1987): Poetik des Raumes.
Aus dem Frz. von Kurt Leonhard. Frankfurt am Main: Fischer. /
Quelle: Julia Weber https://zeitschrift-suburban.de/sys/index.php/suburban/article/view/197/327

Aufnahme und Copyright: Regina Kühne

Text in allen Audio-DATEIEN dieses Beitrages: „Haus Gogol“ von Martina Schäfer copyright: die Autorin
alle Fotografien in diesem BEITRAG einschließlich Beitragsbild copyright Regina Kühne / Fotografin/Pressebüro / Büchelstrasse 12 9000 St. Gallen
Text in Audio-DATEIEN gelesen von Stefan Heckmann, Berlin, 2023


„»Woher weiß ich, ob unsere Lehre vom Leben nicht eine Illusion ist und der Haß auf den Tod nicht der Irrweg eines jungen Menschen, der nicht weiß, daß er heimkehrt […]? Woher weiß ich, daß die Toten ihr früheres Hängen am Leben nicht bereuen? […]. Das große Erwachen wird kommen. Und dann werden wir wissen, daß dieses hier ein langer Traum war […]. Einst träumte ich, Zhuang Zhou, ich wäre ein Schmetterling, flatterte hin und her ganz wie ein Schmetterling, und spürte, wie wohl ich mich fühlte. Ich wußte dabei nicht, daß ich Zhou war [der bloß träumte]! Plötzlich erwachte ich und war wieder Zhou! Jetzt weiß ich nicht, war ich Zhou, der träumte, er sei ein Schmetterling, oder bin ich der Schmetterling, der träumt, er sei Zhou! Zwischen Zhou und dem Schmetterling muß es einen Unterschied geben. Dies nenne ich die Wandlung der Dinge!«
Zhuang Zhou wollte ganz offensichtlich dem Tod seinen Schrecken nehmen. Immer wieder kam er auf das Thema zurück, und jedes Mal war er bemüht, den Tod als etwas Natürliches darzustellen: als Wandlung der Dinge – ja, ihn den Menschen nahezubringen als Anlaß zur Freude.“

quelle:
„Leib oder Körper“ Beck, 2011 Linck, Gudula S.19/38

Klicke, um auf 9783495484517_excerpt_001.pdf zuzugreifen

Viellecht könnte auch von einer Doppelweltweltlichkeit des Traums gesprochen werden, wie ausgeführt bei
D. N. Ekweariri, „Phänomenologie des Leibes und der Leiblichkeit bei Marc Richir“.

„Er scheint zugleich zu sein und nicht zu sein, ein Bild von etwas an einem bestimmten Ort zu tragen,
was aber gleichzeitig

weder auf Erden noch irgendwo in der Welt sei.

Der Traum ist also mit
einem Bein in der Welt des Seins und doch mit dem anderen in der Welt des
Nichtseins. Deshalb vermögen wir es beim „Erwachen“ nicht, das eine von dem
anderen zu unterscheiden. Wir haben es nur mit einer „flüchtigen Erscheinung“
zu tun.“

S.77


Quelle:https://de.frwiki.wiki/wiki/Baku

HALTEN wir also vielleicht mit Durs Grünbein inne jetzt:

„»Zum letztenmal Psychologie!«, der Stoßseufzer,
den Franz Kafka in eins seiner Oktavhefte schrieb,
fällt mir als erstes ein, höre ich das Wort Traum.

Vom Traum Auskunft zu geben, das Träumen
als einen unvorhersehbaren, wundersamen Akt
im eigenen Leben zu begreifen heißt aber zuerst,
ihn von aller Zuschreibung freizuhalten.
Ihn wie ein Tier zu behandeln, ein seltenes Tier,
nicht wie einen Gegenstand, den man zerlegt.
Es gibt Fische, die sterben, zerrt man sie ans Licht.“

Quelle: Grünbein; D.: „Aus der Traum (Kartei)“ S.14. 2019 Suhrkamp

0 Shares

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.