Schauen wir richtig, was sehen wir dann? Gibt es ein falsches
Schauen? Ist es überhaupt möglich, genau zu sehen, was ist? Wir befinden uns in einem Möglichkeitsraum. Mit der Vorstellung, das zu erfassen, was ist, jetzt, stecken wir fest in der Vorstellung der gewohnten Koordinaten und glauben, Zeit verlaufe linear.
Diese seltsame Asymmetrie von Vergangenheit und Zukunft
„Es wurde mir zur offensichtlichen Gewissheit auf zahlreichen Reisen durch die Landschaft, bei denen ich beobachten konnte, wie der Horizont zurückweicht, je näher ich ihm komme, und immer neue Perspektiven ausspeit, die mich ausdehnen und umhüllen, während der Horizont selbst seine Entfernung beibehält. Blicke ich nun auf meiner Reise zurück, so sehe ich, dass mir dieser rätselhafte Saum auch nachfolgt und so seine Entfernung hinter wie vor mir konstant beibehält., während er jene Gelände, die ich gehend oder fahrend hinter mir lasse nach und nach verschluckt. Soll ich daraus schließen, die Zukunft liege hinter jenem Teil des Horizontes, auf den ich mich zubewege, und die Vergangenheit hinter jenem, den ich hinter mir lasse? So müsste ich mich lediglich umdrehen, um meine Vergangenheit zu meiner Zukunft zu machen und umgekehrt. Dies scheint nicht ganz korrekt zu sein. Wenn ich mich in einer beliebigen Richtung auf den Horizont zubewege, so werde ich tatsächlich neue Dinge und Orte offenlegen, die zuvor noch in meiner Zukunft beziehungsweise hinter dem Horizont lagen. … die Vergangenheit hinter dem Horizont bleibt nicht vergangen; im Gegensatz zur Zukunft wartet sie dort nicht auf mich.“
Abram, David „Im Bann der sinnlichen Natur“ think-oya 1996 S. 219/220
„In welchem Sinne gilt, dass die sichtbare Landschaft vor meinen Augen nicht äußerlich und synthetisch mit […] den anderen Momenten der Zeit und der Vergangenheit verbunden ist, sondern diese wirklich hinter sich hat, in Simultaneität, drinnen bei sich und nicht beide Seite an Seite »in« der Zeit[.]
Merleau Ponty „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ Fink Verlag 1994, S.336
Abram schließt daraus folgerichtig:
„Das Nicht-mehr-Gegenwärtige und das Noch-nicht-Gegenwärtige befindet sich nicht anderswo – es sind keine autonomen Dimensionen, die etwa von der umfangenden Gegenwart, in der wir beheimatet sind, losgelöst wären. Vielmehr sind sie die Tiefen dieses lebendigen Orts – die verdeckte Tiefe des Horizontes und die verborgene Tiefe des Grunds, auf dem wir stehen.“
Alles eine Frage der Wahrnehmung. Nicht allein des Sehens.
Eine Art Rückbesinnung auf Synästhetisches.
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