…denn es ist ja eine Art Licht, eine Art leuchtende Dunkelheit, ein unsichtbares Licht in diesen Bildern…

Jon Fosse lesen bedeutet in einen Sog hineingezogen zu werden. Als Kind durfte ich in den norwegischen Ulvik – Fjord springen in einem sehr heißen Sommer, immer und immer wieder.

Da war immer auch ein gewisser Nervenkitzel dabei, weil mein Bruder mich vor Strudeln warnte, die oberflächlich nicht zu sehen, aber unterhalb der Oberfläche des Fjordwassers einen ungeheuren Sog entwickeln und Menschen nach unten ziehen würden. Klar, eine Troll-Geschichte, aber auch mit Sog…

Jon Fosse´s Schreiben ist wie Sterben zu lesen. Immer wieder ist es diese Melancholie, die aus dem Gefasstsein seiner von ihm geführten Figuren zupackt und einem den Hals zuschnürt.
Diese spezifische, vielleicht auch religiös grundierte Sehnsucht der Figuren berührt stark.

Ich denke an einen gewissen sepulkralkulturellen Umgang mit dem Fjord als Transferlandschaft zwischen irdischem Leben in der Überführung eines Leichnams übers Wasser ins Meer, ins ewige Leben.
In einer hölzern Wurzel…Heute sinds ja eher diese ständig annoncierten Hurtigruten – Kreuzfahrten…

Das Faszinierende für mich an Jon Fosse´s Literatur ist, dass sie mir das Gefühl vermittelt an einer Suchbewegung des Autors leibhaftig teilzunehmen; als suchte ich mit ihm zusammen z.B. die Spur durch den Schnee. Klar, das erscheint als Motiv banal. Schnee – Spurlosigkeit – Vergessen. Tatsächlich ist ja diese Spurensuche im immer dichter werdenden Schneetreiben in
„Der andere Name“ eine Wegführung durch den Romanstoff und zugleich mit Leib und Leben seiner Figuren in der Wechselspannung von Erinnerung und Vergessen langsame Heimkehr des Lesers in seine Urängste. So einfach, so beschwörend und so unvermeidlich spinnt Herr Fosse seine LeserInnen ein.

Fosse, Jon: „Der andere Name“ Roman Rowohlt 2019 S. 39-46

Übersetzung:Hinrich Schmidt-Henkel

Julien Gracq beschreibt diesen Schreibprozess oder diese schriftstellerische Vorgehensweise, die sich ins Lesen überträgt, als Bereitschaft: „Man muss bereit sein, sich im trügenden Halbdunkel zu bewegen, und imstande, fortwährend von den gebahnten Wegen zu den noch ungebahnten überzuwechseln.“ (Julien Gracq „Lesend schreiben“ Übersetzg. Dieter Hornig Graz/Wien 1997 S. 127)

Und John Fosse´s Maler meint, „…es gibt keine bessere Art, es zu sagen, denn es ist ja eine Art Licht, eine Art leuchtende Dunkelheit, ein unsichtbares Licht in diesen Bildern, die stumm reden und die wahr reden, und dann, wenn ich in diesen Anblick versunken bin oder in dieser Art zu sehen, dann bin nicht mehr ich es, sondern etwas sieht durch mich sozusagen, und so finde ich immer eine Möglichkeit, mit dem Bild weiterzukommen, mit dem mich ich gerade abmühe, und so ist es auch mit allen Bildern von anderen Malern, die mir gefallen, irgendwie sieht auf ihnen nicht der Maler, sondern etwas sieht durch den Maler und dieses etwas bleibt durch das Bild erhalten und spricht stumm durch das Bild und manchmal sorgt nur ein einziger Strich dafür, dass das Bild so sprechen kann, und das ist nicht zu begreifen, denke ich, so ist es auch mit der Dichtung, die ich gerne lese, nicht dass es wichtig ist, was über dies oder das gesagt wird, sondern etwas anderes, etwas, das stumm in und hinter den Sätzen spricht,…“
Fosse, Jon: „Der andere Name“ Roman Rowohlt 2019 S.432 f.

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